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Gastbeitrag: Gute Führung ist auf Augenhöhe – die Sicht eines Chefs

Selbstreflexion, Transparenz und Anerkennung zählen für Sebastian Rusche zu guter Führung. In seinem Gastbeitrag erzählt er von seinen Erfahrungen und seinem Verständnis von Führung auf Augenhöhe.

Sebastian Rusche ist es wichtig, dass man sich auch als Führungskraft reflektiert. (Foto: Sebastian Rusche)

Sebastian Rusche hat in seiner bisherigen Karriere schon einige Unternehmensstandorte verschiedener Branchen erfolgreich geleitet. Der Aufstieg ging schnell und dass obwohl sein Führungsstil sicher ein anderer ist als bei manchem Geschäftsführer. Sebastian Rusche sieht sich als Geschäftsführer als ein Mitarbeiter wie jeder andere und setzt auf Offenheit, Transparenz und Führung auf Augenhöhe. Doch lesen Sie selbst in unserem Gastbeitrag!

 

Ich bin Thüringer, 1,90m, Mitte 30, sportlich, dynamisch und zielgerichtet. Was klingt wie der Beginn einer Anzeige für Partnersuche ist gleichzeitig der erste Eindruck, den ich bei meinen Mitarbeiter*innen hinterlasse. Oder? Oder möchte ich nur gerne so gesehen werden?

 

Genau an dieser Stelle beginnt die Differenz von Eigen- und Fremdsicht. Mit Anfang 20 übernahm ich meine erste Stelle als Führungskraft. Damals mit überschaubaren 30 Mitarbeiter*innen, aber im kleinsten, ältesten und erfolglosesten Haus eines großen Handelsunternehmens im Südwesten Baden-Württembergs. An meinem ersten Arbeitstag begrüßte mich meine Assistentin mit den Worten: „Ach herrje, Sie könnten ja mein Sohn sein. Naja, zum Glück sind Sie kein Ossi.“ Harte Worte, die mich direkt in der Tür stehen ließen. Fünf Jahre später habe  ich das Haus verlassen: höchste Mitarbeiterzufriedenheit und niedrigste Krankenquote im Unternehmen, Platz 2 im internen Ranking.

Was jetzt fantastisch klingt, war viel Arbeit, viel Reden, noch mehr Handeln und eine blutige Nase. Diese 5 Jahre waren die intensivsten und prägendsten meiner bisherigen beruflichen Laufbahn. Und dafür bin ich dankbar. Weil ich hier gelernt habe, meine eigene Perspektive mit denen von außen zu homogenisieren und äquivalent zueinander zu gestalten. Das ist für mich der Schlüssel zum Erfolg als gute Führungskraft. Nur wenn man sich selber darüber bewusst ist, wie mein Gegenüber mich gerade wahrnimmt, habe ich auch die Möglichkeit, ihn zu erreichen. Hierzu gehört natürlich, dass man sich gegenseitig kennenlernen muss. Der Mitarbeiter muss verstehen lernen, wie der Vorgesetzte tickt und handelt und warum. Gleichzeitig habe ich als Führungskraft auch die Möglichkeit, das Verhalten meiner Mitarbeiter*innen zu verstehen und dann für mich zu bewerten.

 

Um diesen Spagat möglichst erfolgreich zu bewältigen, habe ich für mich gelernt und verinnerlicht, dem Mitarbeiter gegenüber immer offen zu sein. Das beginnt bei ganz alltäglichen Dingen, wie der morgendlichen Begrüßung. Das Ganze sollte ergänzt werden durch ein ehrliches Lächeln, Augenkontakt und das Erinnern an den Namen des Gegenübers. Wenn ein Mitarbeiter merkt, dass er gekannt wird, baut er zugleich auch eine höhere Bindung zu mir als Vorgesetzten auf.

Als nächstes ist es wichtig, transparent zu sein - im Handeln und im Wirken. Ich persönlich halte nichts von Wissensmonopolen und Geheimniskrämerei. Jeder Mitarbeiter, angefangen vom Pförtner bis hin zum Geschäftsführer ist Teil des Unternehmens. Und damit auch wichtiger Teil seines Erfolges. Daran sollte jeder teilhaben und stetig über den aktuellen Stand informiert werden. Genauso verhält es sich bei Gesprächen untereinander. Nichts ist unfairer, als Gespräche anzusetzen, bei der die Gegenseite nicht weiß, was Inhalt und Thema sein wird. Dies führt zu Unsicherheiten und Unwohlsein und ruiniert ganz nebenbei noch das Vertrauen, weil derjenige mit Wissensvorsprung sich direkt über den anderen stellt. Wichtig im gegenseitigen Umgang sind zudem ganz klare und verständliche Regeln. Ob das in Form von Hausordnungen, Besprechungsregeln oder ähnlichem sind, obliegt jedermann selber. Jedenfalls helfen sie als Anker, wenn die Grundrahmen des Verhaltens überspannt oder überschritten werden.

Genau hier hat man wieder als Führungskraft die Möglichkeit erfolgreich im Umgang mit seinem Umfeld zu sein. Wenn der Mitarbeiter weiß, welches Verhalten seines Vorgesetzten ihn bei seinen Handlungen erwartet, kann und wird er sich sicherer verhalten.

 

In meiner bisherigen Laufbahn habe ich viele Führungskräfte kennengelernt, die sich als Pokerface bezeichnet haben und auch versucht haben, so aufzutreten. Bei keinem konnte ich nachhaltigen Erfolg feststellen. Ich bin der Meinung, dass erfolgreiches Führen nur durch ein Miteinander auf Augenhöhe machbar ist. Das bedeutet nicht, nur das zu tun, was dem Mitarbeiter am Genehmsten ist, sondern das zu tun, was Nachvollzogen und Verstanden werden kann. Wenn das mit Nachdruck erfolgen muss, dann mit verständlichem Nachdruck und unter Beachtung eines gewissen Spielraumes, den man sich als Führungskraft offen halten sollte.

 

Durch meine Auslandstätigkeiten habe ich zudem gelernt, dass wir uns in Deutschland gerne an Regeln halten und diese unter Umständen bei Verletzung auch bestrafen. Was wir aber nicht oder nur selten machen, ist Loben und Anerkennen. Zudem ist unsere Anspruchshaltung  eine sehr hohe, weil profane Dinge wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Flexibilität bei uns vorausgesetzt wird. Als Beispiel dazu: Ein Betrieb hat 100 Mitarbeiter*innen und arbeitet 5 Tage die Woche. Es sind jeden Morgen alle pünktlich da, alle Aufträge werden innerhalb der vorgegebenen Zeiten abgearbeitet. Lob? Nein, warum auch? Wird doch schließlich vorausgesetzt. Nächster Fall: Sie fahren jeden Tag mit dem Auto 5 km auf Arbeit. Morgens hin, abends zurück. Der Gesundheitsengel packt Sie und Sie wollen etwas für Ihre Gesundheit, die Umwelt oder die Brieftasche tun. Also nehmen Sie sich vor, dass Sie für eine Woche täglich mit dem Rad zur Arbeit fahren. Spätestens am Freitag, werden Sie sich für die erbrachte Leistung belohnen. Ist doch aber selbstverständlich, oder?

Als Ergebnis möchte ich darstellen, dass man als Führungskraft anerkennen muss, was Mitarbeiter*innen leisten. Seien es kleine Dinge, reicht es, auch diese zu benennen - einen Dank für die Zuverlässigkeit, für den Einsatz oder einfach nur für die Loyalität auszusprechen. Nicht inflationär, sondern wohl dosiert.

 

Ich für meinen Teil handhabe dies so, mit offenen Augen durch das Unternehmen zu gehen, Stimmungen aufzufangen und hier und da zu reden. Präsent zu sein. Eine offene Tür reicht da nicht aus. Klar, jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit zu mir zu kommen, weiß aber, dass bei fachlichen Dingen der jeweilige Vorgesetzte involviert wird. Nur bei persönlichen Angelegenheiten, bleibt ein vertrauliches Abkommen bestehen.

Zudem nehme ich mir für jeden Bereich des Unternehmens einen Tag im Jahr Zeit, an dem ich einen Mitarbeiter bei seiner täglichen Arbeit begleite und mitarbeite - in allen Bereichen, ob im Controlling oder als Reinigungskraft. Ich habe dabei nicht den Anspruch, der beste und schnellste Mitarbeiter zu werden oder alles zu können. Ich möchte verstehen, was die Mitarbeiter*innen leisten und Ihnen durch mein Interesse signalisieren, dass ich mich kümmere und verstehe. Dadurch gelingt es mir, Vertrauen und Loyalität aufzubauen. Außerdem erhält man durch die Mitarbeiter*innen wichtige Informationen, die die Arbeitsprozesse effizienter gestalten können oder aber auch Investitionen richtig einsetzen lassen. Mitarbeiter*innen in Entscheidungen involvieren, sie informieren und ihnen vertrauen, sind meines Erachtens die Grundpfeiler für gemeinsamen Erfolg.

 

Nur wenn man sich als Führungskraft auch hinterfragt, sich von seinen Mitarbeiter*innen auch Kritik und Verbesserungen zuspielen lässt, kann man selber wachsen. Denn das Bild, was ich im ersten Satz beschrieben habe, sollte sich auch im Verhalten von einem selber und auch im Erkennen des Gegenübers darstellen. Denn nur wenn die Eigensicht auch mit der Fremdsicht übereinstimmt, hat man als Führungskraft die Möglichkeit auf Erfolg. Das bedeutet nicht, dauerhaft an sich zu zweifeln oder sich ständig zu hinterfragen. Das bedeutet, zu erkennen, ob man selber an sich arbeiten muss und dann mit Hilfe von außen in welche Richtung. Und das geht nur mit einem entsprechenden Maß an ehrlicher und offener Selbsteinschätzung.